Mehr Freude beim Radfahren mit Bikefitting

Ein Interview über Po-Schmerzen beim Radeln, überdachte Fahrradwege und eine Mobilitäts-KI, die den motorisierten Individualverkehr drastisch senkt.

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Fahrradheld:innen

Björn Stapelfeldt Bergetappe
Björn Stapelfeldt Bergetappe

Dr. Björn Stapelfeldt ist Gründer und CEO der Radlabor GmbH mit Standorten in Freiburg, München und Frankfurt mit insgesamt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. In den Radlaboren werden Bikefittings und Rad-Neukaufempfehlungen für alle Radfahrerinnen und Radfahrer angeboten. Unter der Marke Smartfit vertreibt das Radlabor digitale Bike-Sizing und Bike-Fitting-Systeme für den Fahrrad-Fachhandel und digitale Sizing-Lösungen für den E-Commerce. Grund genug, ihm den Titel JobRad®-Fahrradheld zu verleihen.

Woran laborieren Sie in Ihrem Radlabor?

Unter dem Radlabor-Dach bieten wir drei unterschiedliche Produkte und Dienstleistungen rund um das Thema Bikefitting und Bikesizing für unterschiedliche Kundengruppen an. Unsere Vision seit der Gründung 2007 lautet: Jeder Mensch – ob Alltagsradler, ambitionierte Amateurin oder Profi-Radlerin – fährt das passende und auf die jeweiligen Bedürfnisse abgestimmte Fahrrad. 

Wie läuft eine Beratung im Radlabor ab?

Wir messen Körper und mitgebrachtes Fahrrad mit einem von uns entwickelten laserbasierten Vermessungssystem aus, berechnen also die Abstände und Winkel zwischen Sattel, Lenker und Pedalen sowie Armen und Beinen. Das Rad soll sich an den Körper anpassen und nicht umgekehrt. Unser Bikefitting verbessert die Bewegungsergonomie und Kraftübertragung beim Radeln. Dadurch haben Menschen mehr Spaß am Fahrradfahren und fahren öfter und weiter. 

Als Verkehrsminister würde ich Geld ins Schienennetz stecken
Björn Stapelfeldt
Gründer und CEO, Radlabor GmbH
Fahrradheld Björn Stapelfeldt Radlabor

Zum Radlabor gehört auch die Marke Smartfit, die Bikesizing-Produkte für den Fahrradfachhandel anbietet. Was bringt dieses Vermessungssystem?

Die Vermessung im Fahrradfachhandel mit unserem Smartfit-System bietet Sicherheit bei der richtigen Auswahl der Rahmengröße und der richtigen ergonomischen Einstellung. Das ist ein wichtiges Alleinstellungsmerkmal für den Fachhändler, der bei seinen Kundinnen und Kunden einen „Wow-Effekt“ auslöst. In Deutschland arbeiten etwa 300 Fahrradfachhändler mit Smartfit, weltweit sind es 700. Sogar in einem Bikeshop in Dubai kann man sich vermessen lassen. 

Ein Produkt in Ihrem Radlabor-Portfolio ist ein Bikesizing-Tool für den Online-Fahrradfachhandel. Wie funktioniert das?

Wenn Sie als Kundin oder Kunde in einem Fahrrad-Onlineshop nach einem neuen Rad suchen, taucht spätestens vor der Bestellung die Frage nach der richtigen Rahmengröße auf. Unser Tool – es wird etwa 20 Millionen Mal jährlich aufgerufen – empfiehlt mit wenigen Klicks die optimale Rahmengröße. Viele große Fahrradhersteller und Onlineshops nutzen es bereits.

Was ist Ihr größter Erfolg als Gründer in der Fahrradbranche?

Das Online-Bikesizing-Tool! Wir haben es bereits vor der Pandemie auf den Markt gebracht. In der Corona-Zeit haben wir größere Server gemietet, weil alle Leute Fahrräder online gekauft haben.

Und was hat nicht so gut funktioniert in Ihrem Berufsleben?

Ich habe zu lange an einer vielversprechenden Entwicklung festgehalten, einem Pedalmesssystem. Das war leider viel zu kompliziert. Ich hätte früher sagen müssen: „Stopp, wir kommen hier nicht weiter“. Das war jedoch ein wichtiges Learning für mich: Nicht zu lange in komplizierte Dinge vergraben. Keep it simple.

Ein wichtiges Learning für mich: Nicht zu lange in komplizierte Dinge vergraben. Keep it simple.
Björn Stapelfeldt
Gründer und CEO, Radlabor GmbH
Fahrradheld Björn Stapelfeldt auf der Bank

Nun kommen wir von Ihrem Bike-Business zu Ihrer Bike-Vision und Bike-Passion. Welche Rolle spielt das Fahrrad aus Ihrer Sicht bei der Verkehrswende?

Ich formuliere es pessimistisch: vermutlich eine geringe. Ich denke, dass es schwierig wird, den Güterverkehr von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Außerdem verzweifle ich an der Bequemlichkeit der Menschen: Wenn es regnet, nehmen die Leute das Auto, auch wenn sie nur fünf Kilometer fahren und nichts transportieren müssen – aus Angst, dass die Frisur oder der Anzug nass wird.

Stellen Sie sich vor, die Bike-Fee landet eines Morgens auf Ihrer Espresso-Tasse und Sie hätten einen Mobilitätswunsch frei. Welcher wäre das?

Ich würde mir flexibel überdachte, zweispurige Radwege wünschen, die man bei Sonnenschein aufklappen kann. Auf den Fahrspuren sollten wir Radler nebeneinander radeln und reden können. Autofahrer sitzen schließlich auch Seit an Seit und können sich unterhalten.

Welche Schlagzeile möchten Sie 2030 in der Zeitung lesen und in den Nachrichten hören?

„Bahnbrechender Durchbruch: In Deutschland entwickelte Mobilitäts-KI sorgt für 45 Prozent weniger motorisierten Individualverkehr.“

Was würden Sie als Erstes tun, wenn Sie Verkehrsminister wären?

Lastenräder subventionieren sowie Geld ins Schienennetz und den Ausbau der Bahnstrecken stecken, nicht in Autobahnen. 

Wie viele Räder stehen bei Ihnen im Schuppen/in der Garage/vor der Tür?

Wir haben zu zweit zwölf Fahrräder. Ich besitze 2 Mountainbikes, 2 Rennräder, ein Gravelbike, 2 Stadträder. Und ich brauche sie alle. In diesem Jahr soll noch ein E-Lastenrad dazu kommen, weil mich auch die Fahrt zum Getränkehandel mit dem Auto nervt.

In welcher Stadt radeln Sie liebsten?

In Vancouver. Dort sind die Fahrradwege grün eingefärbt und sind durch eine kleine Kante getrennt von den Autostraßen. Dort macht Fahrrad fahren Spaß.

Wer ist Ihre Fahrradheldin oder Ihr Fahrradheld?

Jan Ulrich, immer noch. Der hat mich damals begeistert, wie er den Berg hochgefahren und alle andere hinter sich gelassen hat. Mit einem weinenden Auge habe ich die dann Dopinggeschichte verfolgt. Mein zweiter Held ist Uli Prediger und die Erfindung des Dienstradleasings. Für mich einer der größten Beiträge der letzten Jahre zum Thema nachhaltige Mobilität in Deutschland.

JobRad® spendet für jedes Fahrradhelden-Interview 500 Euro an eine Nicht­regierungsorganisation, die sich dafür einsetzt, Menschen aufs Fahrrad zu bringen. Das Geld für dieses Interview geht auf Wunsch unseres Fahrradhelden Gunnar Fehlau an „World Bicycle Relief“.