Fahrrad-Rikschas sind eine Alternative zum Auto!

Ein Interview über Rikscha-Spazierfahrten, die Alternative zum Auto und das Glück, auf Umwegen zu radeln

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Fahrradheld:innen

Fahrradheldin Natalie Chirchietti | JobRad
Fahrradheldin Natalie Chirchietti | JobRad

Natalie Chirchietti ist Co-Geschäftsführerin bei „Radeln ohne Alter Deutschland e.V.“. Sie bringt – wie wir von JobRad® – Menschen aufs Fahrrad. Oder genauer: in die Fahrrad-Rikscha. Grund genug, ihr den Titel JobRad®-Fahrradheldin zu verleihen. Ein Interview über Rikscha-Spazierfahrten, die Alternative zum Auto und das Glück, auf Umwegen zu radeln.

Was möchten Sie mit Ihrem Verein „Radeln ohne Alter“ (RoA) erreichen?

Wir bieten kostenlose Rikscha-Ausflüge für Seniorinnen und Senioren sowie für nicht so mobile Menschen an, die nicht aus eigener Kraft in die Pedale treten können. Wir finden, dass jeder Mensch ein Recht auf Fahrtwind im Haar hat und darauf, am gesellschaftlichen Leben teilnehmen zu können. Mit unseren Spazierfahrten auf drei Rädern leisten wir dazu einen Beitrag.

Wie kamen Sie auf die „Radeln ohne Alter“-Idee?

Ich bin zufällig auf die „Cycling Without Age“-Initiative gestoßen, die Idee kommt aus Dänemark. Mir war schnell klar: Dieses Projekt finde ich so toll, dass ich es nach Deutschland holen will. Ich verbringe gerne Zeit mit älteren Menschen und natürlich auch auf dem Fahrrad: Mit diesem Projekt verbinde ich beides. Mit meiner Mitgründerin Caroline Kuhl habe ich Fördergelder und Spenden gesammelt – und wir haben unsere Familien sowie Freundinnen und Freunde animiert, mitzumachen. 2017 haben wir den Verein „Radeln ohne Alter Bonn e.V.“ gegründet und die erste elektrische Rikscha gekauft. Inzwischen gibt es in Deutschland über 70 Ortsgruppen und den „Radeln ohne Alter“-Dachverband, bei dem Caroline Kuhl und ich die Geschäftsführerinnen sind.

Jeder hat ein Recht auf Fahrtwind im Haar!
Natalie Chirchietti
Das ist das Motto von „Radeln ohne Alter“. Natalie Chirchietti, ihre Co-Geschäftsführerin Caroline Kuhl, die vielen Ehrenamtlichen an den mehr als 70 Standorten in Deutschland sind Teil einer internationalen Bewegung. „Cycling Without Age“ wurde 2012 in Kopenhagen gegründet. Inzwischen gibt es Ortsgruppen in mehr als 50 Ländern – von Australien über Peru bis nach Nigeria. Bislang wurden mehr als 1,9 Millionen Menschen kutschiert. Der älteste Pilot ist 90 Jahre alt, die älteste Passagierin 108.
Fahrradheldin Natalie Chirchietti | JobRad

Wer kann bei „Radeln ohne Alter“ mitmachen?

Es gibt viele Möglichkeiten zum Mitmachen: als Pilotin oder Pilot und als Passagierin oder Passagier. Wenn es „Radeln ohne Alter“ in der eigenen Gemeinde oder im eigenen Stadtteil noch nicht gibt, kann man auch einen Standort gründen. Außerdem kann man uns mit Spenden unterstützen.

Wie kann ich als älterer oder nicht mehr so mobiler Mensch in den Genuss einer Rikschafahrt kommen?

Viele unserer Passagiere sind Bewohnerinnen und Bewohner von Senioren- und Pflegeeinrichtungen, die mit „Radeln ohne Alter“ kooperieren. Auch an Stadtteilzentren, Kirchengemeinden oder gemeinnützigen Organisationen sind „Radeln ohne Alter“-Ortsgruppen angedockt. Über ein Buchungssystem kommen ehrenamtliche Pilotinnen oder Piloten und Passagiere zusammen. So lernen sich Menschen kennen, die sich sonst vermutlich nie getroffen hätten. Manchmal entstehen so sogar Freundschaften.

Wem macht das Rikschafahren mehr Spaß – den Pilotinnen oder den Passagieren?

Alle haben Spaß in der Rikscha, egal, ob sie selbst radeln oder kutschiert werden. Rikschafahren verbindet und ist eine tolle Möglichkeit, gemeinsam etwas zu erleben. Die Passagierinnen und Passagiere kommen zudem an Orte, an denen sie manchmal lange nicht waren. Zum Beispiel in ihr früheres Wohnviertel oder an den Rhein, in das Lieblingscafé oder auf den Weihnachtsmarkt. Ich habe neulich eine ältere Dame zu einem Pflegeheim in einem anderen Viertel gefahren, in dem ihre Freundin lebt. Es war herzzerreißend, wie sich die beiden Frauen nach langer Zeit wieder in die Arme geschlossen haben.

Welche Rolle spielt das Fahrrad / die Fahrrad-Rikscha aus Ihrer Sicht bei der Mobilitätswende?

Das Fahrrad ist ein ganz zentraler Baustein bei der Mobilitätswende. Und Fahrrad-Rikschas sind eine Alternative zum Auto: Die meisten Wege, die Menschen mit dem Pkw zurücklegen, sind kürzer als zehn Kilometer. Innerstädtisch geht das prima mit einem (elektrischen) Fahrrad oder einer (E-)Fahrrad-Rikscha.

Ihre Traumschlagzeile pro Fahrrad in der Zeitung:

„Mehr Fahrrad-Rikschas als Autos auf deutschen Straßen unterwegs!“

Was würden Sie tun, wenn Sie Fahrradministerin von Deutschland wären?

Ich würde allen Menschen die Möglichkeit bieten, Fahrradfahren zu lernen. Und eine Infrastruktur schaffen, die es ermöglicht, im Straßenverkehr sicher zu radeln. Als Sahnehäubchen auf der Torte würde ich dafür sorgen, dass auch die Fahrrad-Rikschas ihren Platz in der Stadt haben: Die Fahrradwege wären so breit, dass sowohl Fahrräder, Lastenräder als auch Fahrrad-Rikschas sie bequem nutzen können.

Wie sind Sie auf zwei bzw. drei Rädern unterwegs: mit Muskelkraft oder mit elektrischem Rückenwind?

Privat mit Muskelkraft auf dem Stadtfahrrad. Und mit der Rikscha mit elektrischem Rückenwind. Andere Ehrenamtliche machen bei den Rikschafahrten den Motor aus, weil sie sich sportlich betätigen wollen. Ich lasse mich lieber vom E-Motor unterstützen.

Ihr Motto auf der Fahrrad-Rikscha: „Der Weg ist das Ziel“ oder „ab durch die Mitte“?

Bei unseren Ausflugsfahrten geht es nicht darum, so schnell wie möglich von A nach B zu kommen. Wir wollen gemeinsam mit den Passagieren die eigene Stadt – im Wortsinne – er-fahren: Deshalb radeln wir auch in Seitenstraßen und fahren Umwege, die glücklich machen. 

Haben Sie ein Highlight auf der Fahrrad-Rikscha?

Als „Bönnsch Mädche“, als Mädchen aus Bonn, liebe ich den Karneval. Und viele unserer Passagiere hier im Rheinland auch. Deshalb fahren wir regelmäßig mit unseren Rikschas bei den Karnevalsumzügen mit. Dann sind Jung und Alt, Pilotinnen und Passagiere, verkleidet und werfen Kamelle. Das macht wahnsinnig Spaß!